Realisierungswettbewerb „Dorfgemeinschaftshaus Dirmstein“
Entwurfskonzept
Das Dorfgemeinschaftshaus als Zentrum des öffentlichen Lebens ist gestalterisch selbstbewußt entwickelt. Gleichzeitig wird über die Materialwahl, die bewusst auf tradierte Baustoffe zurückgreift, ein Bezug zum historischen Dorf hergestellt. Über diese Traditionsspange lässt sich der stringente Baukörper, der zudem durch seine innere Funktionalität keine tradierten Proportionen aufgreifen kann, in das Dorfbild einfügen.
Das Dorfgemeinschaftshaus wird auf einen gepflasterten Platz gestellt, um über diesen Kontrast zum anschließenden Park mit diesem zu kommunizieren. Schlupfpforten in der Parkmauer unterbinden mit schräggeschnittenen Gewänden die Durchsicht und stellen gleichzeitig eine erlebbare Verbindung her.
StädtebauFreiraum Funktionale GliederungMaterialienGründungEnergiekonzept
Das Dorfgemeinschaftshaus ist auf einen urbanen Platz gestellt, der seine Fortsetzung in der Affensteinstraße bis hin zum Kirchplatz findet. Damit ist das Gebäude optisch in die historische Ortsmitte integriert. Die Materialwahl des Steines greift das bestehende Granitpflaster auf. Es wird empfohlen, die südliche Affensteinstraße zu verschmälern, um auf der westlichen Seite einen größeren Gehweg zu gewinnen. Dabei soll untersucht werden, ob auf einen Bordstein zugunsten einer weichen Trennung verzichtet werden kann. Ggf. kann Längsparken und eine Bepflanzung integriert werden.
Der Eingangsbereich ist zur Hauptstraße orientiert und bis zur Westkante des traufständigen Abbruchhauses vorgezogen. Somit bleibt der historische Straßenraum bestehen.
Das DGH ist so gegliedert, dass auf der Nordseite Parkplätze entstehen und die An- und Ablieferung erfolgen können.
Den räumlichen Rahmen bilden die bestehenden Mauern. Ein Aprikosenspalier verdeckt die unschöne östliche Begrenzung unter Blüten, Wilder Wein wertet mit seinem Farbspiel die nördliche Grenzbebauung auf. Die denkmalgeschützte Parkmauer wird von “modernen” Putzresten befreit und mit Streiflicht herausgearbeitet. Den westlichen Abschluss am Gasthaus bildet eine Hainbuchenhecke, ergänzt mit einer geschnittenen Kastenlindenreihe.
Mehr Grün ist nicht vorgesehen, um den urbanen Charakter und die Aufenthaltsqualität zu unterstreichen. Schlupfpforten in der Parkmauer führen in das südliche Parkdenkmal, den Kellergarten.
Im Bereich der Kellergarten-Mauer erhalten die Pflasterflächen der Platzfläche weitere Fugen, um einerseits das Regenwasser vor Ort besser versichkern zu lassen und andererseits eine optische Differenzierung zu erhalten.
Aus ökologischer Sicht ist ein extensives Gründach geplant; das anfallende Regenwasser soll in Zisternen gesammelt und zur Toilettenspülung verwendet werden. Die Zisternen lassen sich im Bereich der bestehenden Unterkellerung kostengünstig einordnen.
Die Beleuchtung erfolgt über Leuchtstelen und Lichtpunkte bzw. -streifen im Boden (Anstrahlen der Mauer und Gebäudewand) sowie über indirektes Licht aus dem Gebäude selbst heraus (= räumliche und nicht flächige Wirkung). Auch die Kastenlinden werden lichttechnisch inszeniert.
Besucher werden von einem Licht durchfluteten Foyer aufgenommen und in die Gebäudetiefe zum Saal geleitet. Seitlich sind die Nebenfunktionen eingeordnet, Garderobe und Ausschank sind als “Möbelstücke” herausgearbeitet. Die Küche kann über eine Durchreiche den Ausschank bespielen aber auch durch eine seitliche Verbindung das Foyer oder den Saal. Der Tresen der Garderobe und des Ausschanks laufen ineinander über und können so als großes Buffet genutzt werden. Der Ausschank liegt aus Schallschutzgründen getrennt vom Saal – ist aber so eingeordnet, dass Saal und Foyer bespielt werden können.
Auf der Rückseite sind die Räume für Küchenpersonal, Kühlräume etc. durch einen Seiteneingang erreichbar.
Über die Materialwahl wird ein Bezug zur dörflichen Bautradition hergestellt. Zudem wurden die Materialien aus Gründen der Nachhaltigkeit und besonderer nützlicher Materialeigenschaften gewählt.
Als Wandbildner sind als tragende Aussenschale Lehmsteine vorgesehen, diese werden mit traditionellem Kalkputz (Luftkalk) verputzt und feucht in feucht mit pigmentierter Kalkfarbe gestrichen. Die Aussenwand wird innen (vgl. Energie-konzept!) mit Holzfaserplatten gedämmt. Als sichtbare Oberfläche werden innen Stampflehm-Fertigteile vorgesetzt. Diese neu entwickelte Verarbeitung eines Ur-Baustoffes bietet mehrere Vorteile:
- Optik und Haptik von Stampflehm zu deutlich reduzierten Preisen und
- hochwertige Oberfläche und minimale Bauteilstärken.
Die reduziert Materialstärke des Stapflehms ist ausreichend zur Feuchteregulierung. Durch diese Eigenschaft kann die Lüftungsanlage minimiert werden, da über eine einfache Querlüftung die gebundene Feuchtigkeit in nutzungsfreien Zeiten abgelüftet werden kann. Selbstverständlich sind Einbruch- und Regenschutz zu berücksichtigen.
Zu der feuchteregulierenden Eigenschaft des Stampflehms kommt seine besonders günstige Akustik aufgrund der relativ großen Oberfläche.
Innenseitig kommen helle bis weißliche Lehme zum Einsatz.
Das Dachtragwerk – Haupt- und Nebenträger – sind aus BSH, hell lasiert, als Bodenbelag sind vorrangig Industrieparkett und geschliffener Estrich vorgesehen. In den WC’s 2K-Beschichtungen, in der Küche Feinsteinzeug (R11V4).
In Anlehnung an das Baugrundgutachten wird eine Brunnengründung favourisiert. Die einzelnen Brunnen werden im Abstand bis ca. 5m mit einem Durchmesser von ca. 1.20m angenommen. Nach Einbringen der Brunnenringe werden diese mit Beton (C 12/15) ausgegossen. Über den Brunnenköpfen wird eine tragende Bodenplatte (C 25/30) auf einer Sauberkeitsschicht eingebaut. Die Brunnen greifen ca. 1-1.5m tief in die tragende Bodenschicht ein.
Auf der Bodenplatte wird die Abdichtung gegen aufsteigende Feuchtigkeit eingebaut (bituminöser Voranstrich und Schweißbahnen). Darauf baut der Fußboden inkl. Dämmung auf.
Aus der speziellen temporären Nutzung heraus wurde ein angepasstes Energiekonzept entwickelt mit dem Ziel, geringstmögliche Energieverbräuche mit kurzen Vorlaufzeiten und einer größtmöglichen Behaglichkeit zu kombinieren – und nebenbei den Installationsaufwand zu minimieren.
Im Winter muss vor einer Veranstaltung temperiert werden. Der Energieeintrag durch Besucher (80-200W/Kopf und Stunde!) ist zu berücksichtigen.
Eine Innendämmung in Kombination mit einer leicht steuerbaren Strahlungsheizung ist daher optimal. Da kein kontinuierlicher Heizfall existiert, können die Dämmstärken reduziert werden, lediglich passivhaustaugliche Verglasungen (gute 3fach-Wärmeschutzverglasung mit einem Ug-Wert von 0,5W/m²K) sind empfehlenswert.
Durch den Einsatz einer tragenden Bodenplatte kann nur auf der Innenseite gedämmt werden. Um einen bauphysikalisch sinnvollen, lückenlosen Dämmzug zu erhalten, werden die Wände ebenfalls innen gedämmt. Die weitgespannte Dachkonstruktion wird aus Gewichtsgründen in Holzbau ausgeführt und ist energetisch einer Innendämmung vergleichbar.
Da kaum schweren Baustoffe aufgeheizt werden müssen, kann das Gebäude sehr schnell temperiert werden. Zudem kann mittels Strahlungsheizung die Raumtemperatur reduziert werden, da die gefühlte Temperatur sozusagen als Mittel aus den Oberflächentemperaturen der umgebenden Hülle und der tatsächlichen Lufttemperatur wahrgenommen wird. Als Heizflächen werden Heizgläser (3-fach-WSV mit spezieller Beschichtung) vorgeschlagen. Durch diesen Einsatz entfallen die üblichen Wärmesenken an der Verglasungsoberfläche, und somit die Strahlungsassymmetrien, die als unangenehm empfunden werden. Die Heizflächen werden üblicherweise nur knapp über Solltemperatur (ca. 22°C) aufgeheizt, können aber im Bedarfsfall auch deutlich höhere Temperaturen (bis über 50°C) liefern. Da sie leicht steuerbar sind, können sie dem jeweils benötigten Bedarf automatisiert – es sind lediglich Temperaturfühler notwendig – nachjustiert werden. Die Strahlung, die von der inneren Beschichtung emittiert wird und nach außen strahlt, wird weitgehend von der ohnehin vorhandenen inneren Beschichtung der äußeren Glasscheibe nach innen reflektiert.
Da nach einem zeitgemäßen Baustandard eine luftdichte Hülle erreicht wird, muss der Feuchteabtransport besonders berücksichtigt werden. Trotz weitgehender Innendämmung ist mit keinen Feuchteschäden zu rechnen, da der groß-flächige Einsatz von Lehm Feuchtigkeit hervorragend puffern und zeitversetzt abgeben kann.
Wegen der primären Fensterlüftung (automatisch gesteuerte, gegen Einbruch gesicherte Lüftungsklappen) und des unkritischen Feuchtehaushalts, kann eine relativ klein dimensionierte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vorgesehen werden. Diese ist vorrangig in der Aufheizzeit und während der Aufführungen (wg. Lärmschutz geschlossene Fenster!) notwendig.
Ob über die vorgenannte Installation für die nicht genutzten Zeiträume eine weitere Wärmequelle benötigt wird, um ggf. über einen längeren Zeitraum das Gebäude zur Vermeidung von Bauschäden (Frostschäden usw.) ausreichend zu temperieren, ist u.a. abhängig von der Nutzungsintensität. Um eine minimale Installation zu erreichen, ist eine Gebäudesimulation notwendig – übliche Auslegungen nach noch gültigen DIN-Normen hinken dem Stand der Technik zum wirtschaftlichen Schaden des Betreibers hinterher! Als wirtschaftlichste zusätzliche Wärmequelle wird derzeit eine einfache Gasbrennwerttherme gesehen, die mittels Heizregister eine Grundtemperierung über die Lüftungsanlage herstellen kann.
Der theoretisch erhöhte Primärenergiebedarf über die Heizgläser wird über minimierte Heizzeiten und Raumtemperaturen reduziert und über eine PV-Anlage regenerativ abgepuffert. Wegen des Zeitversatzes zwischen Energieerzeugung und -bedarf werden neuentwickelte Akkumulatoren als Speicher eingesetzt.
Standort: Dirmstein
Auslober:
Ortsgemeinde Dirmstein
Entwurf:
HAUSS.ROHDE architekten
Platzierung:
2. Rundgang
Freiraumplanung:
Prof. Bott, Stuttgart
BGF: ca. 1.000
BRI: ca. 4.750